13.11.2021 – 21.11.2021

Es ist Herbst. Es ist grau. Es ist regnerisch. Es ist kühl. Es ist der erste Rauhreif zu sehen. Was gibt es da Schöneres, als diese Stimmung am richtigen Ort wahrzunehmen. Also auf nach Norditalien ins Piemont.

Schliengen, ein Ort im Markgräflerland ist unser erstes Etappenziel. Weingut Zimmermann liegt etwas erhöht auf den Hügeln und hat einen freien Stellplatz, der einen schönen Blick auf die Landschaft freigibt. So steht es auf der Website zu lesen. Wir sehen nichts. Als wir abends ankommen, ist es bereits stockdunkel, als wir morgens aus dem Wagen klettern, grau vor Nebel.

Da zum Stellplatz keine Toilette und kein Bad gehören, waschen wir uns mit Nebeltau, machen die persönlichen Schleusen dicht, und brettern – sofern wir das von Hartmann sagen können – in den Nachbarort zum Bäcker. Der hat nicht nur wunderbar belegte Brötchen, sondern auch ein „Stilles Örtchen“ an dessen Tür die Kunden als Schlange formiert, einer nach dem anderen vorbei spazieren, um zur Theke zu gelangen…

Kaum sitzen wir auf, beginnt es zu regnen. Und das ohne Unterlass. Die Scheibenwischer entspannen erst bei der 17 Kilometer Fahrt durch den Gotthardtunnel. Danach stehen sie wieder auf Powerbetrieb. Erst kurz vor dem Ort Costa Vescovate klart der Himmel etwas auf, doch weiterer Regen ist bereits vorausgesagt.

Das lässt uns kurzerhand das Apartamento anstelle des Stellplatzes bei Agroturismo „Valle Unite“ buchen. Eine sehr gute Entscheidung. So mag es der Camper: warm, trocken, eigenes Bad, ausreichend Speisen und Getränke, vor allem, wenn sie aus dem hauseigenen Anbau stammen.

Nachdem Martina sich liebevoll um die Esel gekümmert hat, werden wir sogar eingeladen, am Essen der Genossenschaftsmitglieder teilzunehmen. Gastfreundschaft pur!

Wir nutzen jede Gelegenheit, an die frische – und trockene – Luft zu kommen. So genießen wir die herbstliche Landschaft in dieser äußerst ruhigen und entspannten Gegend.

Gegen 22 Uhr rufe ich das Slow Food Ristorante „Violetta“ in Calamandrana an, um einen Tisch für den kommenden Mittag zu reservieren.

Buena sera Signora. Posso parlare tedesco o inglese?
NO.
Puuhhh… Vorrei prenotare un tavola per domani a mezzogiorno per due.
BRAVO!!
Dodici e trenta.
PERFETTO!
Grazie molto.
GRAZIE MOLTO.
A domani e buona serata e buona notte Signora.

Der alte Italiener halt… 😉

Endlich mal ein Hauch von Sonne. Und schon leuchtet das Herbstlaub der Weinfelder. Über Land steuern wir das Ristorante an und tatsächlich werden wir an den reservierten Tisch begleitet. Es ist Dienstag. Es ist Mittag. Und es ist rappelvoll. Der Laden brummt. Und mit ihm der Cameriere, ein alter Routinier, der uns freundlich brummend begrüßt.

Martina wählt als Vorspeise „Tajarin al sugo di funghi porcini“, für mich darf es „Agnolotti monferrini al burro e salvia“ sein. Als Hauptgericht bestellen wir jeweils „Coniglio in casseruola con le castagne“. Hört sich nicht nur wie ein Gedicht an, schmeckt auch so. Ein Barbera aus der Region ist der ideale Begleiter. Man muss es den Italienern echt lassen. Die vermeintlich einfachen Gerichte beherschen sie perfetto. Und nach alter Tradition, lassen wir uns eine kleine Widmung in die „L`Osteria-Bibel“ schreiben. Tutto bene!

Wir durchfahren die hügelige Landschaft dieses imposanten Weinanbaugebietes und sehen die kleinen Orte meist auf den höchsten Punkten thronen. Als wir die Campsite Sole Langhe in Barolo-Vergne erreichen, haben wir die Qual der Wahl. Nur ein weiteres Fahrzeug hat sich hierhin verschlagen. Gemütlichkeit geht vor. So stellen wir uns auf einem Platz mit dem meisten Laub. Ein paar Meter entfernt suchen wir ein kleines Geschäft auf, um uns mit Brot, Käse und Wein zu versorgen. Wir sitzen gut eingepackt so lange draußen, bis es erneut zu regnen beginnt. Also rein ins Fahrzeug und buona notte.

Ja, ja. Hätten wir echt drauf kommem können. Nachdem es die ganze Nacht durchgeregnet hat, waten und platschen wir morgens durch tausende von kleinen Blätter-Badewannen. Alles ist klitschnass und als Folge bekommen wir nasse Füße. Wenigstens haben sich noch keine Fische angesiedelt…

Was machen wir? Füße trocken legen und weiter fahren. Laut Wetter-App soll es im paar Kilometer entfernten Ort La Morra trocken sein. Ist es auch. Gegen 13 Uhr frühstücken wir im Café eine Tasse Kaffe, bevor wir eine halbe Stunde später zu Mittag essen… Gnocchi und Tajarine: rein damit!

Warum nicht ein Zimmer nehmen?! In Verduno quartieren wir uns im Agroturismo „Cà del Re“ ein. Und plötzlich ist bestes Herbstwetter in der Barolo-Region!

In den späteren Nachmittagsstunden drehen wir eine Runde durch den Ort und erfreuen uns an der typisch piemontesischen Herbststimmung.

So ganz ohne Camping-Gefühl geht es dann doch nicht. Schnell sind die Campingstühle aus dem Wagen geholt und die „Schinken-Mozzarella di Bufala-Tomaten-Panini“ auf dem Bett serviert. Der Wein ist heute etwas ganz Besonderes. Eine rote Rarität aus der autochthonen Rebsorte „Pelaverga“. Sie wird leider nur noch sehr wenig angebaut, da sich die meisten Weinbauer auf die Nebbiolo Traube konzentrieren, die für den lukrativen Barolo verwendet wird.

Die weitere Streckenplanung führt uns in die Nähe des Lago Maggiore. Knapp 20 Kilometer westlich von ihm liegt der Lago Orta und der Ort San Giulio. Dieser gehört zu den „Borghi più belli d’Italia“, den schönsten Orten Italiens. Hier waren wir bereits im Sommer letzten Jahres auf unserer Anreise nach Savona, um von dort dann mit der Fähre nach Korsika weiter zu reisen. Es ist sehr ruhig und wir haben freie Platzwahl in der terrassenförmig angelegten Camping-Anlage. So finden wir einen schönen Platz mit Blick auf den See, in dessen Mitte die Isola di San Giulio mit der prächtigen Basilika und schönen Villen liegt.

Wir gehen in den Ort und genießen die stimmungsvolle Atmosphäre des Herbstes. Das macht umso mehr Spaß, da es mal nicht regnet. In der Kult-Pizzeria La Campana kehren wir ein und bestellen – wie kann es anders sein – Pizza. Und die ist so, wie sie typisch italienisch sein soll: dünner und knuspriger Teig, der mit maximal drei Zutaten belegt ist: Prosciutto, Pomodori, Rucola sowie Salame, Peperoncino, Peperoni.

Kaum ist die Nacht nach 12 Stunden Schlaf vorbei, wartet das Frühstück auf uns. Doch wo ist bloß die Salami geblieben? Nach einer kleinen Suchaktion, liegt sie kurze Zeit später servierfertig auf dem Tisch.

Gut gestärkt spazieren wir bei zirka 9°C um den See.

Es wird merklich kühler. Und in der kommenden Nacht sinken die Temperaturen auf 6°C. Das ist echt ungemütlich. Gut, dass wir eine Standheizung haben. Ein wenig wild auf den Knöpfen hin und her gedrückt und schon bläst sie los. Als es uns warm genug ist, schalten wir sie aus und schlafen ein… doch was ist das für ein Geräusch? Wir sind wach. Die Heizung bollert los. Da hat sich wohl eine Programmierung eingeschlichen. Ein Fall für die „Technische Offizierin“, die direkt die Bedienungsanleitung im Internet checkt und es schafft, nach zirka 2 Stunden die Daten zu löschen…

Noch etwas gerädert machen wir uns startklar. Hartmann ist gerüstet und die vor uns liegenden 857 Kilometer fahren wir in einem Rutsch. Nach 12 Stunden satteln wir ab.

Finito.