Wir möchten in keinem Fall in eine Stadt. Eher etwas Ländliches, vielleicht sogar eine Unterkunft an einem See. Eine Flugreise kommt überhaupt nicht in Frage, lieber mit dem guten Berlingo verreisen. Ach ja, rummelig und laut soll es auch nicht sein, lieber entspannend und vor allem ruhig.

Und dann buchen wir einen Flug nach Neapel!

Si, si, si. So simmer halt… 😉

29.12.2024 – 5.01.2025

Martina’s Geburtstag beginnt sehr früh. Nicht, weil wir rein gefeiert haben, sondern weil wir um 3Uhr nachts aufstehen müssen. Geschlafen haben wir allerdings bis dahin auch nicht, und so schleichen wir wie benebelt durch den dichten Nebel und bei eisigen Temperaturen zum Flughafen.

Eine zum Sonnenaufgang getarnte UFO-Sichtung über den Wolken.

Gegen halb zehn Uhr landen wir in Napoli. Hey, was ist denn das? Frühlingshafte 16°C erwarten uns bei strahlend blauem Himmel und Sonnenschein. Mit dem Ali-Bus fahren wir zum Bahnhof. Metro-Wochenkarte kaufen und dann runter zur Station. Wir sind nicht alleine. Es ist sooo voll, dass wir wegen absolut vollgestopfter Bahnen schon mal zwei haben passieren lassen müssen. Dann drücken und quetschen wir uns in die nächste hinein. Das Gute: umfallen ist nicht möglich. Bei der Station „Museo“ fummeln wir uns schließlich wieder raus. Und der blaue Himmel ist wieder da, unter dem sich die Rollerfahrer ihr tägliches Rennen liefern.

Wir erreichen unsere Unterkunft „Terra Mia“ in der Via Salvator Rosa.

Begrüßt werden wir von „Dottore“ Angelo, Dario und Lina sowie dem „Geist von Pino Daniele“, dem großartigen neapolitanischen Cantautore, der in allen Räumen durch Fotos, Vinyl-Schallplatten und Bildern anwesend ist. Die von Pino 1977 herausgebrachte Langspielplatte „Terra mia“, wurde sogar zum Namensgeber der Unterkunft.

Wir beziehen die „camera gialla“ mit Namen „Napule e'“. Das Lied, welches vom SSC Neapel als Vereinshymne bereits seit vielen Jahren übernommen wurde.

Blick vom kleinen Balkon.

Es ist Zeit, sich etwas die Beine zu vertreten und die nähere Umgebung zu erkunden. Und natürlich auch, ein passendes Lokal für Martina’s Geburtstagsessen zu finden. Die „Nummer 10“ ist auch nach 40 Jahren in der ganzen Città omnipräsent. An Diego kommt hier keiner vorbei, außer man fummelt sich wie Martina frei, um inmitten von Nippes und Jedöns, Wünsche zum Geburtstag entgegen zu nehmen. 🙂

Wir erreichen die ruhige „Piazza Bellini“ im ansonsten quirligen „Centro Storico“. In einer Ecke des Platzes befindet sich das Ristorante „A‘ Casa Ra‘ Signora“, welches für uns vielversprechende Speisen anbietet.

Fritturina di Calamari, Melanzane a Funghetti und Scialattelli Frutti di Mare sowie Greco Bicchiere genießen wir und stoßen auf Martina’s Wohl an. Salute!

Da isser schon wieder.

Mit der Metro fahren wir bis zur „Piazza Municipio“.

Von hier aus sind es dann nur wenige Meter bis zum „Nuovo Castel“, auch Maschio Angioino genannt, eines der bekanntesten Bauwerke der Stadt. Die Burg wurde seit dem Baubeginn 1279 mehrfach umgebaut und renoviert. Glücklicherweise ist die große Terrasse noch vorhanden. Von hier haben wir einen tollen Blick auf den Hafen und den alles überragenden Vesuv.

Wir gehen weiter in Richtung des Viertels „Chiaia“. Entlang der Uferpromenade sind mit uns viele italienischen Touristen unterwegs. So wie wir, um die Stadt und „lo stile di vita napoletano“ zu genießen.

Hier, an der Promenade sind sämtliche Lokale bis auf den letzten Platz ausgebucht, und die Leute warten bereits in einer Schlange stehend, auf den nächsten freien Platz. „Stay in the line“, kommt uns da in den Sinn, denn genau so haben wir es bereits in Roma erlebt.

Unser auserwähltes Slow Food Ristorante „Umberto“ liegt etwas zurück in der Via Alabardieri.

Von Signore Massimo werden wir begrüßt und erhalten unseren Tisch. Das Lesen des Menüs ist bereits zum Zunge schnalzen. So wählen wir Gemüse, Oktopus sowie Risotto Frutti die Mare.

Gegen 17 Uhr wird die Stadt so langsam golden, eine ganz besondere Stimmung.

Der letzte Tag des Jahres beginnt für uns mit einem Spaziergang in die Altstadt. Hoppla, diese Idee hatten auch noch eine „Handvoll“ anderer Leute. Auch sie sind bereits in Vorfreude auf den Tag und die Silvesternacht.

Schlägt man ein paar Haken, ist es direkt ruhiger. So auch auf der „Piazza San Domenico Maggiore“ mit ihrem gleichnamigen Obelisken.

Wir schlendern weiter durch die mit morbidem Charme „gesegneten“ engen Gassen.

Schon überqueren wir die „Piazza del Gesù Nuovo“ mit dem „Obelisco dell’Immacolata“, dem Glockenturm und der mit Lavasteinen gebauten Kirche „Chiesa del Gesù Nuovo“, um ein paar Minuten später in der Piazzetta di Porto die „Osteria Baccalaria“ zu erreichen. Der Name des Lokals ist Programm. In allen Facetten wird hier Kabeljau zubereitet und serviert. Wir bestellen einmal die neapolitanische sowie die sizilianische Variante. Hauptsache scharf und rot. Dazu Grüngemüse als auch Gemüse vom Grill.

In der Nähe der „Piazza Dante“ befindet sich in der Via Tarsia der Recordstore „Gommalacca“. „Da müsst ihr unbedingt hin!“, so Marion und Volker, die uns neben der Unterkunft „Terra Mia“ auch diesen Tipp für Napoli mit auf den Weg gegeben haben. Jetzt sind wir da. Ohhh, ein wirkliches Eldorado an Vinylplatten gilt es zu erkunden. So finden ein paar Pino Daniele LPs bald einen neuen Plattenteller. Doch bis es soweit ist, hängen wir sie erst einmal im gelben Zimmer an die Wand. 😉

Es ist immer noch Silvester und endlich Zeit für einen Aperitivo im „Caffé Letterario“ auf der „Piazza Bellini“. Hier ist es heute rappelvoll, friedliche Partystimmung weit und breit.

Dennoch verbringen wir den Abend „zu Hause“ und freuen uns über das Silvester-Feuerwerk, das die gesamte Stadt zum Leuchten bringt.

Neujahr 2025. Mit der Metro fahren wir bis zur Station „Vanvitelli“, ein Name, der sich für mich nach etwas Essbarem anhört. „Einmal Vanvitelli mit Tomaten, Basilikum und Knoblauch bitte.“ Na ja. 🙂 Unser Ziel ist das mächtige „Castel Sant’Elmo“, welches auf dem „Vomero-Hügel“ thront und einen fantastischen Rundumblick auf die Stadt und den Golf von Neapel bietet.

Auch so kann man wohnen! Unglaublich.

Über zahlreiche Stufen gehen wir direkt hinunter in das gefürchtete „Quartieri Spagnoli“. Was für ein Kontrast. Hier leben überwiegend wohl immer noch die Ärmsten der Armen in engen Gassen, in denen Satellitenschüsseln, wilde Kabelverbindungen und zu trocknende Wäsche das Bild prägen.

Kultort im Viertel ist seit langem der „Largo Maradona“, wo dem einstigen Spieler vom SSC Napoli durch ein großes Wandbild gehuldigt wird. Vermutlich sind von ihm in der ganzen Stadt weitaus mehr Wandmalereien und Graffiti zu finden, als in Buenos Aires. Okay, es ist mal wieder Zeit für einen kleinen Klugscheisser-Hinweis. Das Wort Graffiti ist eigentlich der Plural des aus der italienischen Sprache stammenden Worts Graffito und bezeichnete ursprünglich „eine in Stein geritzte Inschrift oder auch eine ornamentale bzw. figurale Dekoration“.

Jetzt ist es aber wirklich an der Zeit, unsere erste Pizza zu essen. Das machen wir bei „Augusteo“ in der Via Speranzella. Statt drinnen im Lokal sind wir lieber im improvisierten Außenbereich. Auf den Tisch kommen einmal die „Bufalina“ und einmal – und das ist nun wirklich ein „Muss“ – die „Napoli“.

Bevor es bald ganz dunkel ist, schnell auf den Roller und ab durch die Mitte. 😉

Mit der Metro fahren wir bis zur Station „Garibaldi“ und sehen einen Hinweis auf ein Konzert von „Ligabue“, der vor 30 Jahren mit dem Song „Certe notti“ einen Riesenerfog hatte. Leider können wir bis September nicht warten, denn es gibt noch anderes zu tun. Obwohl…

Jetzt nehmen wir erst einmal den Zug in Richtung der Küstenstadt „Sorrent“ auf der gleichnamigen Halbinsel. Dann regnet es plötzlich Asche vom Himmel und Glutlawinen aus heißen Gasen und Asche rasen die Vulkanflanken des Vesuvs hinab. Was ist denn das? Innerhalb kurzer Zeit wird die wohlhabende und kultivierte römische Stadt Pompeji unter einer mehrere Meter hohen Asche- und Bimsschicht begraben. Durchatmen, denn diese Katastrophe passierte bereits im Jahre 79 n. Chr. So können wir gefahrlos am Bahnhof der archiologischen Ausgrabungsstätte aussteigen.

Diesen Gedanken haben auch noch viele weitere Kulturinteressierte. Fast eine Stunde stehen wir an, bevor wir den Eintritt gelöst haben. Doch, um es vorweg zu nehmen: es hat sich gelohnt! Denn irgendwie scheint die antike Stadt intakt, lebendig, eine Momentaufnahme aus einer längst vergessenen Zeit zu sein, in die wir nun eintauchen.

Zum ersten Mal ist der Himmel durchgehend grau und für den Nachmittag ist sogar etwas Regen vorhergesagt. Mit dem Bus fahren wir ein paar Stationen hinauf zum Hügel von Capodimonte. Hier sehen wir uns zuerst die „Basilica dell’Incoronata Madre del Buon Consiglio a Capodimonte“ an, bevor wir dann hinab steigen, zu den „Catacombe di San Gennaro“.

Eine deutschsprachige Führung gibt es nicht, die englische ist erst am späteren Nachmittag, und was bleibt? Eine Führung in italienischer Sprache um 12 Uhr. „Perfetto. Va benissimo“. Verstanden haben wir allerdings so gut wie „niente“. Vermutlich war da etwas neapolitanisch mit im Spiel. 😉

Wieder am Tageslicht schauen wir auf das am Fuße des Hügels liegende dicht bewohnte und charakteristische Viertel „Sanità“. Einst von eher Wohlhabenden bewohnt, ist es im Laufe der Zeit ein etwas ärmeres Viertel geworden, in dem wohl auch die „Famiglia“ ihre Anhänger sucht.

„Abbiamo fame“. Und so suchen wir den Weg zum familiengeführten Lokal „A Luggetella“, was hier irgendwo um die Ecke sein soll. Doch erst mal müssen wir wieder hinauf. Wie so oft in der Stadt, so auch hier, begegnet uns die „3“. Ein stolzer Hinweis darauf, dass der SSC Napoli bisher bereits drei mal italienischer Fußballmeister war. Und die Chancen stehen gut, dass in diesem Jahr aus der „3“ eine „4“ wird.

So langsam nähern wir uns unserem Lokal, inklusive Blick in die Seitengassen. Übrigens sind die an einer Leine befestigten Eimer ein wichtiges Hilfsmittel, um bespielsweise Lieferungen von frischem Gemüse oder Brot einfach und entspannt in die Etagenwohnung zu bekommen. Eimer runter, Ware rein, Eimer hoch. Fertig.

Was würdet Ihr bestellen bei dieser tollen Auswahl? Für uns war es das Ragu Napoletano (Nudeln in Tomatensoße mit über 12 Stunden eingekochtem Fleisch), Gnocchi alla Sorrentina, Zuccine alla Scapece und Friarielli Napoletani, das grüne Gemüse. Buonissimo!

Auf unserem weiteren Weg sehen wir auch die beiden aus dem 18. Jahrhundert stammenden Palazzi „Spagnuolo“ und „Sanfelice“. Sehr beeinduckend, in welchen Familien-Stadthäusern die so genannten Herrschaften seinerzeit für sich wohnen konnten.

Noch schnell im Regen am Straßenmarkt vorbei, und dann zurück zur Unterkunft.

Über Nacht verschwinden sämtliche Wolken und es wieder bestes Wetter mit Temperaturen so um die 14-15°C. Wir fahren mit der Metro zum ehemaligen Bahnhof und heutiger Station „Mergellina“ aus dem Jahre 1925. Von hier nehmen wir zum ersten Mal einen „Funicolare“ (Standseilbahn), um hinauf in den Ortsteil „San Antonio“ zu gelangen.

Dann sind wir vor lauter Staunen nur noch sprachlos. Was für ein fantastischer Blick. Bellissimo!

Wir fahren mit dem Omnibus. Die Linie 140 bringt uns an den Rand – nicht der Verzweiflung – sondern des Stadtteils von Posillipo. Und das hat einen Grund mit Namen „Reginella“. In diesem Ristorante essen wir zu Mittag. Zuerst frittierte Gamberi und Calamari und dann Risotto. Einmal mit Rucola, Gamberi und Limone sowie einmal alla Pescatore, also alles, was das Meer so hergibt.

Das ist die Aussicht vom Ristorante! Diese Schönheit ist kaum noch zu ertragen. 🙂

Es kommt noch besser: Entlang des Küstenweges spazieren wir zurück und sind begeistert von dem Licht, das die Abendsonne verbreitet.

Wenn bei Capri die rote Sonne… Ja, wo ist sie denn hin? Vermutlich schon im Meer versunken und zaubert dadurch diesen unglaublichen gelben (!) Abendhimmel hervor.

Wir erkennen einen Zugang zu einem kleinen Stadtstrand wieder, über den in einem TV-Beitrag berichtet wurde. In dieser Sendung wurde die Gruppierung „Mare Libero Napoli“ vorgestellt, die sich für einen „freien Zugang zum Meer für alle“ einsetzt. Oft ist es so, dass einige Leute den Zugang zum Strand und dem Meer verschließen, da sie meinen, das ist jetzt einfach mal privat. Auf solch eine aberwitzige Idee muss man erst mal kommem. Jedenfalls ist der Zugang heute frei. Also Schuhe aus und Füße abkühlen.

Es beginnt unser (vorerst) letzter Napoli-Abend. Wir nutzen die Chance und schreiben den „Terra Mias“ noch etwas Nettes in ihr Gästebuch.

Uns kommt ein Schlager von Conny Froboess aus unserem Geburtsjahr in den Sinn, der irgendwie immer noch aktuell ist. Wer kennt diese Zeilen nicht? „Eine Reise in den Süden / Ist für andre schick und fein / Doch zwei kleine Italiener / Möchten gern zu Hause sein / Zwei kleine Italiener / Die träumen von Napoli“… Mal ehrlich, wir können die Jungs verstehen.

Ciao, arrivederci e a presto! 🙂