27.12.2019 – 02.01.2020 Palafito Azul / Chiloé / Castro / 6N
02.01.2020 – 05.01.2020 Vista al Mar / Chiloé / Ancud / 3N

Wir tauschen den See gegen die Insel. Chiloé ist nach Feuerland die zweitgrößte Insel Südamerikas. Über die bekannte Ruta 5 Sur fahren wir meist schnurgerade nach Süden bis zum Fährhafenstädtchen Pargua. Auf der Ruta sind wir nicht alleine. Sehr gerne kommen uns mehrmals Rennradfahrer auf dem Seitenstreifen entgegen. Ist diese Möglichkeit wegen der Enge der Straße nicht vorhanden, wird halt direkt auf der Fahrbahn Auge in Auge mit dem Gegenverkehr geradelt! Eine weitere Attraktion sind die kleinen Linienbusse, die ohne jegliche Vorwarnung auf der Fahrspur abbremsen, um die am Straßenrand freudig winkenden Fahrgäste aufzunehmen. Möchten Fahrgäste aussteigen, funktioniert das Abbremsen genauso unverhofft. Wenn jetzt das Ziel des ausgestiegenen Fahrgastes auf der anderen Seite der Ruta liegt, auch kein Problem. Es wir die zweispurige Fahrbahn in aller Ruhe wegen der vielen und vollen Einkaufstaschen überquert. Ist eine Mittelleitplanke vorhanden, klettert man halt darüber, um dann auch noch die ebenfalls zweispurige Gegenfahrbahn zu überqueren. Eine gute Stunde vor Erreichen des Hafens, beginnt es zur Einstimmung in aller Heftigkeit zu regnen. Wir haben zwar nicht unseren Südwester-Hut und die Gummistiefel im Gepäck, dennoch sind wir zumindest mental gut vorbereitet. Denn, so sagen die Chiloten, auf der Insel regnet es satte 13 Monate im Jahr.

Kaum sind wir auf der Fähre lässt der Regen nach, und es ist bereits Zeit für akrobatische Gleichgewichtsübungen.

Wir wohnen in Castro. Nicht im Zentrum auf dem Hügel, sondern wie die Fischer in einem Palafito. Diese meist farbenfroh gestrichenen Halb-Pfahlbauten stehen auf ihren Stelzen im Fjord und mit dem Rücken auf soliden Mauern zur Straße hin. Unser Apartamento ist das von vieren oben rechts, des hellblau gestrichenen Palafitos. Da wir zum Innenmeer hin wohnen, leben wir im Wechsel mit Ebbe und Flut.

Die Iglesia San Francisco ist das Wahrzeichen von Castro.

Eine ganz besondere kulinarische Adresse ist das El Mercadito. Hier werden regionale Produkte frisch und originell zubereitet. Allein schon die Bezeichnung der Gerichte lässt uns das berühmte Wasser im Munde zusammenlaufen. Zur Einstimmung ein Pisco Sour frozen mit Zimt. Es folgt „Fresedin“: Ceviche (roher Fisch) de Atún, camarones, vegetales y kiwi en leche de tigre y aceite de sésamo. Anschließend genießen wir „La Merlu“: Merluza austral al horno en costra de cilantro con curry de garbanzos y camarones sowie „Caldúo“: Fricasé caldúo de congrio y machas con papitas nativas doradas, habas y arvejas al pil pil. Fantastisch! Perfekter Begleiter ist ein Chardonnay Alpha von Montes.

Ein ganz besonderer Termin… Am Samstag um 19 Uhr hat Martina ein Peluquería Date bei Jacqueline. Den ganzen Tag über ist die Frisörin so ausgebucht, dass sie bereits in die Abend- und Nachtstunden ausweichen muss. Meistens frisiert sie drei Kundinnen gleichzeitig. Hier Spitzen schneiden, dort neue Frisuren kreieren, da Strähnchen einfärben, mal nur ein kurzes Pläuschchen halten und zwischendurch noch den Fön schwingen. Kommt eine neue Kundin hinzu, muss Martina erneut und zum x-ten Mal ihre Reisegeschichte erzählen. „Mann“ treibt sich während der Zeit in Cafés und später in Cervecarias rum… Gegen 23:00 Uhr (!!!) schaue ich mal vorsichtig in den Salon. Und, es ist tatsächlich noch Party. Es sind noch immer einige Kundinnen am Start. Die meisten sitzen mit bunten Bandagen um den Kopf gewickelt entspannt auf der Couch und plaudern. Kurze Zeit später verlässt Martina etwas farbintensiver doch ungefönt den Salon, da es nur noch wenige Minuten bis zu ihrem cumpleaño sind! Übrigens freut sie sich bereits auf einen weiteren „Pelu-Termin“ an einem anderen Ort, in einem anderen Land, mit neuen Señoras und deren Geschichten 😉

29. Deciembre 2019

Zur Feier des Tages fahren wir in den Parque Nacional Chiloé. Hier laufen wir den Sendero Tepual, der uns die typische Vegetation der Region zeigt. Oft verwunschen und mystisch schlängelt sich der camino durch die dichte Vegetation bis zum Meer. Abends feiern wir dann mit ausreichend Cava.

Vor unserem Balkon beobachten wir gerne die Schwarzhalsschwäne, die bis zu einer Anzahl von 70 Exemplaren im Fjord herumschwimmen.

Gegenüber unserers Palafitos ist eine kleine Werft. Hier wird echtes „Kunst“-Handwerk betrieben. Es ist total interessant zu sehen, mit welchem Material und mit welchem fachlichen Geschick hier aus Balken und Brettern Boote gebaut werden.

Und dann ist auch schon Silvester. Bei Tante Olga kaufen wir Ensalada de Mariscos. Pulpo, Camarones, Salmón y Palta. Da sehr viel zu tun ist, hilft „Joker“ an diesem Vormittag bei Olga aus.

Am kilometerlangen Strand von Lelbun sind wir alleine. Klar, dass Martina zumindest mit den Füßen ins Wasser muss. Die Sicht ist so klar, dass wir den 2.300 Meter hohen Vulkan Corcovado auf dem Festland am Rande der Andenkette sehen können.

Salud! Nach unserer Tour proste ich unserem Nachbarn unter uns zu. Wenige Augenblicke später sind wir zum Silverteressen auf deren Terrasse eingeladen. Kommt uns irgenwie bekannt vor… Wir bringen unseren „Olga-Marisco-Salat“ und genügend Vino mit. Gemeinsam mit David, Yvonne-Catalina und deren Tochter Emiliana feiern wir auf chilenische Art. Viel, sehr viel Essen. Vor lauter Kauen kommen wir erst um kurz nach Mitternacht dazu, auf das neue Jahrzehnt anzustoßen. Feliz Año Nuevo 2020! Klingt schon etwas wie „Science Fiction“, oder?

Wir fahren die Berg- und Talpiste bis Cucao und dann eine extrem schlechte Ripiopiste. Von weitem sehen wir bereits Qualm aufsteigen. Momente später wissen wir warum. Sechs Corderos (Lämmer) sind aufgespießt und werden bei offenem Feuer gegrillt. Die Abuela und der Abuelo begrüßen uns freundlich. Sie erzählen uns, dass später ihre 20-köpfige Familie zum Neujahrstag auftaucht. Hoffentlich reicht bloß das Fleisch…

Dann erreichen wir den Ausgangspunkt unserer Wanderung zur Muelle de las Almas. Es bieten sich uns überwiegend spektakuläre Blicke auf die Steilküste und die „irisch anmutende“ Landschaft. Attraktion ist ein schlichter Holzsteg, dem „Seelenpfeiler“, der in den Himmel ragt. Vom vorgelagerten Felsen hören wir das laute Gebrüll der Seelöwen und könne diese sogar beobachten. Ebenso, jedoch ohne Gebrüll, die brütenden Kormorane.

Nein! Wir können dieses Algengebilde wirklich nicht mit nach Hause nehmen. Nein, echt nicht. Nein, auch nicht im Handgepäck!

Ganz schön strahlend, die Beiden 😉

Wir verlassen Castro und fahren an der Ostküste entlang Richtung Norden der Insel. Um zur Holzschindel-Kirche, ein Weltkulturerbe der Unesco, im Fischerort San Juan zu gelangen, müssen wir eine kleine Rüttelpiste befahren. Dann sehen wir plötzlich mehr als den normal aufgewirbelten Staub und trauen unseren Augen nicht. Ein Stierkampf unter zwei Bullen ohne Torrero mitten auf der Piste, jedoch unter Berücksichtigung der Straßenverkehrsordnung…

Endlich Austern! Im Hafenort Quemchi werden wir fündig. Was für ein herrlich salzig-meerig-zitronig-schleimig-pflutschiger Genuss!

Unsere Cabaña Vista al Mar mit Blick auf Ancud.

Ganz klar. Wir müssen nach Puñihul, denn hier starten die Boote, um die Magellan- und Humboldtpinguine sehen zu können. Außer diesen quirligen Zeitgenossen sehen wir Seelöwen, Pelikane, verschiedene Kormorantypen und sonstiges Geflügel. Da es auf dem Boot ganz schön Wackel-Dackel-mäßig zuging, hier nur eine kleine Auswahl.

Anstatt roher Piure bevorzugen wir heute „Locos“, die große chilenische Meeresschnecke, mit Mayo!

Wenige Kilometer von unserer Cabaña entfernt liegt der fast vergessene Ort Quetalmahue, gäbe es nicht das Restaurante „El Invunche de Guanaca“. Denn hier wird noch der traditionelle „Curanto“ zubereitet. Verschiedene Muschelsorten, Schweinefleisch, Kartoffel, Chorizo sowie plattgedrückte Griestaler mit und ohne Asche werden in einem Erdloch unter Kohle gegart und durch Nalcablätter (chilenischer Riesenrhabarber, der auf der Insel und in Patagonien wie Wildkraut wächst) abgedeckt. Manchmal muss der Gast der Köchin helfend zur Seite stehen…

An der Mar Brava tobt das wilde und offene Meer am Strand und reicht oftmals bis in die Dünen hinein. Aktuell jedoch nicht. So kann Mensch und Vieh entspannen.

Adios Isla de Chiloé!

Apropos Wetter. Von wegen nur Regen. Bis auf den Bootstrip gab`s nur strahlend blauen Himmel, ab und zu mit einer kleinen Wolke dekoriert. Eine absolute Ausnahme. Wir sehen Chiloten, die schier aus dem Palafito sind und nur noch den blauen Himmel bestaunen…